In der Schweiz gibt es nach wie vor Schwierigkeiten, passende Lösungen zur Unterstützung von geflüchteten Menschen zu finden. Vor allem im Bereich der Rechte von Kindern und Jugendlichen wurden nur ungenügende Massnahmen getroffen. Um diesem Missstand bestmöglich entgegenzuwirken, engagieren sich viele Menschen – häufig freiwillig – in verschiedensten Organisationen und Projekten, um diesen Kindern und Jugendlichen unter die Arme zu greifen und ihnen Perspektiven bieten zu können.

Durch eine SocialMedia-Kampagne wollen wir vom Jugendkomitee für eine offene Schweiz auf die Situation von geflüchteten Kindern und Jugendlichen aufmerksam machen, indem wir einerseits die Arbeit beteiligter Organisationen und Projekte vorstellen und andererseits den Betroffenen das Wort geben. Stay Tuned!

(4/4) Mahmuds Geschichte

„Es war so eine grosse Erleichterung in der Schweiz anzukommen. Zuerst war ich etwas nervös, da ich nicht wusste ob ich bleiben darf. Als ich dann Bescheid bekam, dass ich hier bleiben kann war ich unfassbar glücklich. Ich habe mich dann schnell um eine Anstellung gekümmert, weil ich nicht von der Sozialhilfe leben wollte. In der Schweiz fühle ich mich gut integriert. Ich habe viele Schweizer Freunde gewonnen, vor allem auch durch das Fussballspielen im Verein. Jedes Mal wenn ich auf dem Rasen bin und das Spiel spiele, überkommt mich das wunderbare Gefühl der Freiheit, die ich nicht immer hatte. Ich wünsche allen Menschen auf der Welt dieselbe Freiheit.“

(3/4) Mahmuds Geschichte

„Nachdem meine Schwester mir half war ich bereit den Irak über die Grenze in die Türkei zu verlassen. Hierfür reiste ich in einem Bus mit 50 anderen Personen. Die Luft war stickig und die Klima Anlage funktionierte nicht, was im Irak bei Rekordtemperaturen von über 55 Grad schon das Wohlbefinden beinträchtigen kann. Die Grenze war nach einer einfachen Passkontrolle schnell passiert. In der Türkei habe ich mich dann für 2 Wochen in einem sehr billigen Zimmer eingemietet, weil ich auf ein Zeichen der Schlepper warten musste, die mich über einen Abschnitt des Mittelmeeres nach Griechenland bringen sollten. Als es dann soweit war, hatte ich grosse Angst und einige andere Flüchtlinge sind umgekehrt und haben sich geweigert in diese Gummiboote einzusteigen. Die Fahrt auf dem Wasser dauerte ein paar Stunden und ich werde niemals vergessen wie erleichtert ich war als ich griechischen Boden betrat. In Griechenland musste ich dann einige Monate warten bis ich über die Balkanroute durch Serbien, Slowenien, Österreich und schliesslich in die Schweiz gelangen konnte. Die Reise war mit sehr viel Angst und Unsicherheit verbunden. Immer wieder hatten Grenzwächter uns geschlagen und wie Menschen dritter Klasse behandelt. In der Schweiz fiel ich dann meiner Schwester in die Arme und wir weinten beide so stark vor Freude. Mein Leben fing hiermit neu an…“

(2/4) Mahmuds Geschichte

„Eines Abends kam ich nachhause und sollte etwas erfahren, dass mein Leben für immer verändert. Ich sah wie meine Mutter voller Angst in den Augen mir einen Brief überreichte. Ich nahm ihn und las was darauf stand. Eine Drohung wie diese hatte ich zuvor nie bekommen. Ich sollte das Land innerhalb einer Woche verlassen oder man würde mich und meine Familie töten. Als Soldat  war ich immer wieder mit dem Tod konfrontiert aber dieses Mal ging es auch um meine Geliebten. Für mich war klar, dass ich weg musste. Ich habe daraufhin meine Schwester, die seit 10 Jahren in der Schweiz lebt, kontaktiert und um Hilfe gebeten. Damit begann meine Reise…“

(1/4) Mahmuds Geschichte

„Ich heisse Mahmud Al-Rubai und bin 25 Jahre Alt. Zurzeit arbeite ich in der Kantonschule Winterthur in der Kantine. Doch bevor es dazu kam, dass ich ein normales Leben in Freiheit führen darf, musste ich noch einiges ertragen. Im Jahr 2015 musste ich meine Heimat den Irak verlassen. Zuvor war die Situation durch das Aufkommen von terroristischen Milizen schon sehr angespannt. Besonders der Islamische Staat (IS) breitete sich immer weiter aus und konnte ganze Regionen für sich gewinnen. Als junger Mann der eher einen moderaten Lebensstil pflegt, kann man da schnell ins Visier geraten. Ich hatte jedoch trotzdem Hoffnung in eine bessere Zukunft im Irak. Als ich dann die Chance bekam mich gegen diese verbrechen einzusetzen nutzte ich diese und schloss mich der irakischen Armee an….“

Ezatullah’s Geschichte / Mein Plan für die Zukunft: Studium (4/4)

„Nach dem Ende meiner Lehre habe ich jetzt seit 1. August eine neue Stelle in einer Käserei und ein Studio in der Nähe meines neuen Arbeitsortes. Ich bin sehr dankbar bei allen Menschen die mir geholfen haben. Ich bin jetzt seit 3.5 Jahre in der Schweiz und seit 2.5 Jahren finanziell unabhängig. Das nächste Ziel ist es den B-Ausweis zu beantragen damit ich Stabilität habe. Ich würde zudem sehr gerne wieder studieren gehen, sobald mein Deutsch gut genug ist.

Ich habe 2 Semester lang als Gaststudent an der Universität Bern den offenen Hörsaal besucht im Fach Wirtschaft. Swissuniversities hat gesagt, mein Bachelor-Diplom von Afghanistan werde anerkannt. Mein Ziel war es also einen Wirtschaftsmaster zu machen. Mit dem F-Ausweis muss ich in dem Kanton studieren in welchem ich meine Niederlassungsbewilligung habe.

An der Universität Bern wurde mein Diplom aber nicht anerkannt, ich muss also wieder im 1. Semester anfangen, sofern ich nachweisen kann, dass ich ein C1 Niveau habe auf Deutsch, was sehr schwierig ist für mich, da ich nie wirklich Kurse erhalten habe. Ich besuche jetzt jeden Tag Deutschkurse, bis ich das Niveau C1 habe.

Falls ich die Prüfung bestehe, beginne ich ab September Teilzeit mit meinem Studium an der Universität Bern. Ich möchte gerne einen Master abschliessen und mit dem Master einer Schweizer Universität in einer Internationalen Organisation arbeiten. Mein Traum ist dass wir wieder Frieden haben auf der ganzen Welt, dass niemand sein Heimatland verlassen muss. Ich hoffe auch, nicht mehr so viel negative Berichterstattungen über Flüchtlinge zu hören, denn die sind sehr verletzend.“

Ezatullah’s Geschichte / Integration in der Schweiz (3/4)

„Während meiner zweijährigen Lehre als Milchpraktiker habe ich viel gelernt. So habe ich zum Beispiel angefangen Berndeutsch zu lernen, was mir viel geholfen hat und Ich mich den Personen viel näher fühlte. Wenn ich Hochdeutsch spreche mit Schweizern, ist meistens die 1. Frage: «Wie lang bist du schon in der Schweiz». Wenn ich Berndeutsch spreche, kommen solche Fragen erst viel später und ich bin fühle mich den Menschen viel näher.

Da ich um 5 Uhr starten muss zu arbeiten musste ich um 4:20 von zu Hause mit dem Fahrrad los, was eigentlich immer ging, auch bei schlechtem Wetter. Als dann aber der Winter kam, brauchte ich ein Zimmer in der Nähe vom Arbeitsort, wozu mir mein Betrieb geholfen hat.

Es gab einmal ein Gespräch zwischen vielen verschiedenen Menschen und Bauern, wo der Chef alle vorgestellt hat. Der Chef hat gesagt dass ich ein gutes Beispiel sei für eine Integration und dass Leute nicht negativ über Ausländer und Flüchtlinge denken sollen. Das gab mir viel Bestätigung.

Da ich den F-Ausweis habe, kann ich die Schweiz nicht verlassen. Ich verbringe daher viel Zeit die Schweiz zu entdecken. Ich helfe in verschiedenen Freiwillingenprojekten, zum Beispiel mit dem SCI. Dies ist eine gute Möglichkeit viele Menschen kennen zu lernen während meinen Ferien. Ich war auch schon Skifahren, trotz einem kleinen Unfall gehe ich jeweils im Winter in ein Skilager. Ich bringe jeweils das Fondue mit.“

Ezatullah’s Geschichte / Meine Ausbildung als Käser (2/4)

„Durch eine andere Person welche ich Kafe-Kultur kennen gelernt habe, war es möglich ein Zimmer bei einer Gastfamilie zu finden. Ich denke ohne Hilfe von Schweizern ist es praktisch unmöglich ein Zimmer zu finden.

Weil ich meine Schweizer Gastfamilie als Referenz geben konnte, war es mir möglich eine Stelle für 5 Monate zu finden in einer Käserei. Mein Chef wusste ursprünglich nicht was der N-Status ist hat sich aber darum gekümmert, dass ich diese Stelle erhalten kann. Darüber war ich sehr froh.

In dieser Zeit hatte ich das zweite Gespräch ob ich Asyl in der Schweiz erhalte. Nach 1.5 Jahren habe ich dann zu meiner grossen Enttäuschung einen Negativentscheid bekommen. Ich hatte also 30 Tage um die Schweiz zu verlassen oder einen Rekurs zu machen. Ich war sehr traurig, da ich mich im Betrieb gut eingearbeitet hatte und auch ein Angebot für eine Lehre bekommen hatte.
Mit Hilfe einer Anwältin konnte ich den Rekurs einreichen und ich erhielt dann in zweiter Instanz Recht und bekam den F-Ausweis, ein wichtiger Schritt in Richtung meiner Integration. Ich hatte also Glück gehabt, schnell eine Antwort zu erhalten. Ich kenne nämlich viele Menschen, welche lange auf einen Asylentscheid warten müssen und die Ungewissheit, vielleicht in kurzer Zeit das Land verlassen zu müssen ist sehr verunsichernd.

Ich konnte daher meine Lehre als Milchpraktiker beginnen.“

Ezatullah’s Geschichte / Ankunft in der Schweiz (1/4)

„Mein Name ist Ezatullah, Ich bin ursprünglich aus der Provinz Parwan in der Nähe von Kabul, Afghanistan. In Kabul habe ich 4 Jahre lang Wirtschaft studiert und mit einem Bachelor in Business Administration abgeschlossen. Ich wollte meinen Master beginnen, aber dann hat sich die Situation in meinem Land massiv verschlechtert. In meinem Heimatdorf, wo ich aufgewachsen bin, haben die Taliban die Kontrolle übernommen und ich musste um mein Leben fürchten. Deswegen bin ich aus Afghanistan geflüchtet. Ich habe mich entschieden in die Schweiz zu kommen und hier Asyl zu beantragen da es ein neutrales Land ist. Es war eine schwierige, lange Reise von zu Hause bis in die Schweiz mit Autos, Bus, zu Fuss, Boot und Zug.

Als ich in der Schweiz ankam, wurde ich ziemlich bald in den Kanton Bern platziert. Dort habe ich in einem Flüchtlingszentrum in Gümligen gewohnt. Es war ziemlich eigenartig für mich 2 Stockwerke unter der Erde zu wohnen. Wir hatten keine offiziellen Deutschkurse und durften keine Arbeit verrichten. Ich hätte 3 Mal eine Stelle gefunden aber da ich keinen F-Ausweis hatte konnte ich nicht arbeiten.

Ich habe dann hauptsächlich über soziale Kontakte deutsch gelernt, da es mir wichtig war mich gut zu integrieren. Es gibt ein Kafe-Kultur Programm wo Schweizer und Flüchtlinge sich treffen. Bis heute bin ich mit Menschen die ich da kennen lernte in Kontakt. Mit einer Person die ich beim Kafe-Kultur kennen gelernt habe, mache ich regelmässig Ausflüge in der Schweiz, so entstand auch dieses Bild auf dem Rütli.  Es war für mich interessant über die Schweizer Geschichte zu erfahren und an diesem historischen Ort zu sein.“

Interkulturelles Sommerlager youngCaritas / Jara und Vanessa, Teilnehmende im Sommerlager (1/4)

Das interkulturelle Sommerlager von youngCaritas brachte vor einigen Wochen unbegleitete minderjährige Asylsuchende aus Caritas-Strukturen und andere Jugendliche aus der Schweiz zusammen. Geplant und geleitet wurde das Lager von youngCaritas-Freiwilligen. Während einer Woche knüpften die Teilnehmenden soziale Kontakte, stärken ihre interkulturellen Kompetenzen und brachten sich in Workshops aktiv mit ein. In den nächsten Wochen werden die Teilnehmenden des Lagers darüber sprechen, wie sie das Lager erlebt haben.

„Eines der schöneren Erlebnisse war, wie das Interkulturelle sichtbar geworden ist. Ein Junge aus Afghanistan hat zum Beispiel einem Mädchen aus Tibet etwas erklärt, oder auch eine der introvertierteren Teilnehmerinnen, die manchmal etwas Abstand nimmt, ist aufgeblüht. Ich finde es so schön, wenn so etwas geschieht und sie dann sogar mittanzt und mitmacht. Ich finde es sehr berührend und schön wie die kulturell übergreifenden Sachen so sichtbar werden. Das ist mein Highlight aus diesem Lager.

Ich finde es schön wie in diesem Lager alle zusammenhalten und einander helfen, bei den tollen Ausflügen und Aktivitäten rund ums Haus.“

Interkulturelles Sommerlager youngCaritas / Omid, Teilnehmender im Sommerlager (2/4)

„Alles an diesem Lager war ein Highlight für mich. Wir hatten eine gute Zeit miteinander. Wir hatten ein multikulturelles Sommerlager. Wir haben zusammen gegessen, gespielt und vieles unternommen. Am besten hat mir der Bandraum, der Musiksalon gefallen, da ich viel mit Musik zu tun habe. Auch das Essen hat mir sehr gut geschmeckt. Und das Haus auf diesem Berg mit der Ruhe, wo wir für uns sind, das fand ich gut. Die Musikvideos, die die Jungs gemacht haben, sie haben da alles im Michael Jackson Style vorgespielt, die haben mir auch sehr gut gefallen.“

Interkulturelles Sommerlager youngCaritas / Céline, Lagerleiterin (3/4)

„Was mir besonders gut an diesem Lager gefällt? Das ganze Miteinander! Im Lager treffen so viele unterschiedliche Leute aufeinander und wir finden uns trotzdem irgendwie, egal woher wir kommen, was wir vorher erlebt haben oder wo wir gerade so im Leben stehen. Wir verbringen eine Woche zusammen bei der der Spass im Vordergrund steht. Es werden neue Kontakte geknüpft. Zum Beispiel in der Badi war es wahnsinnig lustig – da braucht es auch gar nicht viele Worte um einander zu verstehen. Nebst den spassigen Momenten gibt es auch ernste und schöne Gespräche, bei denen man viel über die Leute erfahren kann, über andere Kulturen, andere Länder. Man erfährt auch traurige Sachen. Aber ich finde den Austausch, den es hier gibt, mega schön. Es sind so ganz viele kleine Momente. Wenn jemand aus Afghanistan Kabouli kocht oder wenn ich sehe, dass ich jemandem mit etwas kleinem eine Freude bereiten kann, oder wenn man die Teilnehmenden motivieren kann. Es sind die Details, die dieses Lager ausmachen.“

Interkulturelles Sommerlager youngCaritas / Die Lagertruppe (4/4)

„Wir wünschen uns, dass die ganze Gesellschaft wie ein interkulturelles Sommerlager ist. Dass man sich kennenlernt und Spass miteinander hat, egal woher man kommt. Dass man voneinander lernt, denn jeder Mensch bringt herausragende Fähigkeiten mit sich. Es wäre schön, wenn wir in einer Gesellschaft leben könnten, in der sich jede und jeder verwirklichen kann.“

Die grosse Reise und das neue Leben von Ashu / Die Reise in die Schweiz (1/4)

„Ich bin Ashuqullah, aber alle nennen mich nur Ashu. Das ist einfacher. Ich komme aus Dschalalabad, eine Stadt in der Nähe von Kabul ganz im Westen von Afghanistan. Am 26. November 2015 bin ich von Zuhause weggefahren. Ich war damals 14 Jahre alt. Über Kabul bin ich mit einem Bus zur Grenze zum Iran gefahren. Dann sind wir dann mit Autos über die Grenze in den Iran und weiter durch die Wüste gefahren. Später auf dem Weg zu Fuss durch die Berge haben wir viele Menschen verloren, die keine Kraft mehr hatten, das war ein sehr schwieriger Moment für mich. Angekommen an der türkischen Grenze wurden von einem LKW abgeholt und über die Grenze gefahren bevor wir später mit regulären Bussen nach Istanbul gelangt sind. Aber dort gefiel es mir nicht. Wir waren 20 Personen in einem kleinen Zimmer. Also sind wir nach nur drei Tagen weiter nach Bulgarien gereist. Doch dies gelang uns erst nach dem vierten Versuch, da die Polizei uns an der Grenze immer wieder aufgriff unser Geld wegnahm und uns zurückschickte. Nach dem die Grenze erfolgreich überquert hatten sind wir drei Tage durch Wälder gewandert bevor wir nach Sofia kamen, wo wir dann Papiere erhielten für eine Weiterreise in Richtung Westen. Nach der Ankunft mit dem Zug in Buchs an der Schweizer Grenze konnte ich dann endlich meinen Asylantrag stellen, denn für mich war von Anfang an klar, dass ich in die Schweiz will und dieses Land mein neues Zuhause werden soll.“

Die grosse Reise und das neue Leben von Ashu / Das neue Leben in der Schweiz (2/4)

„Nach der Ankunft in der Schweiz wurde ich für drei Monate im Asylzentrum Juch in Zürich untergebracht. Ich, damals 14-jährig und lebte zusammen mit Erwachsenen aus der ganzen Welt. Das war nicht sehr angenehm. Nach dieser Zeit kam ich in ein neu eröffnetes Wohnheim für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (kurz: UMAs) in Wiesendangen wo ich am Anfang ganz allein war. Doch schon bald kamen immer mehr UMAs dazu und wir waren schnell über 30 Jugendliche aus verschiedenen Ländern. Das war ganz anders als ich es mir vorgestellt hatte, denn ich hoffte nach der Zeit im Asylzentrum in Zürich würde ich in einer Familie aufgenommen werden.

Im Wohnheim waren wir acht junge Asylsuchende aus Afghanistan, und darum sprach ich oft Persisch oder Paschto. Dies machte es sehr schwer für mich Deutsch zu lernen, um mich besser zu integrieren. Der Unterricht fand im Keller des Wohnheims statt. Ich war mittlerweile 15 Jahre alt und obschon ich bereits Englisch sprach und meiner Meinung nach viel wusste wurden alle in derselben Klasse auf einem sehr tiefen Niveau unterrichtet. Der Unterricht bestand daraus die Grundlagen der Mathematik und der deutschen Sprache zu lernen. Ich war völlig unterfordert und dies machte mich sehr traurig. Ich bin davon überzeugt, dass ich dort ein bis zwei Jahre meines Lebens verloren habe.

Also ein Betreuer des Wohnheims den Arbeitsort wechseln wollte sprach ich ihn an und erzählte ihm, dass auch ich von hier wegwill. Dank seiner Hilfe kam ich nach einigen Monaten in eine Wohnung des Jugendnetzwerks nach Horgen. Ich konnte während drei Monaten einen Deutschkurs besuchen und anschliessend startete ich in das 10. Schuljahr in Horgen.

Ich wollte unbedingt eine Lehrstelle, doch es war mir klar, dass dies sehr schwierig werden wird ohne ein Diplom. Also wartete ich auf mein erstes Semesterzeugnis des 10. Schuljahrs und startete sogleich die Suche nach einer Lehrstelle. Jeden Tag schrieb ich zwei oder drei Bewerbungen und besuchte die Lehrstellenbörse der Stadt Zürich. Dort lernte ich dann Frau Barbara vom Alterszentrum Kalchbühl kennen, welche bereit war mir eine Chance zu geben.“

Die grosse Reise und das neue Leben von Ashu / Endlich eine Lehre (3/4)

„Im August 2018 konnte ich meine EBA-Lehre als Koch beginnen. Am Montag gehe ich die Berufsschule während ich die anderen Tage in der Küche des Alterszentrum stehe. Ab und zu arbeite ich auch am Wochenende und kann dafür unter der Woche einen freien Tag geniessen. Die Arbeit ist sehr herausfordernd für mich und meine Kollegen sind streng mit mir. Ich finde das gut, denn ab und zu vergesse ich etwas und sie motivieren mich dazu mehr zu lernen. Nach meiner EBA-Lehre möchte ich meine Ausbildung zum Koch abschliessen und dann ein paar Jahre auf diesem Beruf arbeiten. Doch ich weiss, dass mir auch andere Arbeiten Spass machen würden. Da ich fünf Sprachen (Deutsch, Englisch, Hindi, Paschtu & Persisch) spreche, würde ich gerne als Touristenführer arbeiten. Ich hätte grossen Spass daran die Menschen am Flughafen abzuholen und ihnen die Stadt Zürich zu zeigen. Ich würde ihnen erklären wann das Grossmünster gebaut wurde und sie an alle schönen Plätze führen. Und wenn das nicht klappt fände ich es auch großartig als Busfahrer in Zürich zu arbeiten, denn mir gefällt diese Stadt sehr.“

Die grosse Reise und das neue Leben von Ashu / Mein Engagement in der Freizeit (4/4)

„Ich engagiere mich im Verein «Colors sans Frontières» der Begegnungsräume schaffen will für Menschen aus aller Welt, die sich in Zürich treffen wollen. Mit diesem Verein besuche ich ein bis zwei Mal im Monat Asylsuchende im Übergangszentrum in der Halle 9 der Messe Zürich. Dort sind vor allem Familien, Alleinreisende Minderjährige und Frauen untergebracht.  Wir laden die Menschen zu einem Brunch ein und hören ihnen zu. Viele von ihnen trauen sich dann uns ihre Geschichte zu erzählen und es hilft sehr, dass ich ihre Sprache verstehen kann. Jeden zweiten Mittwoch gehen auch zur Halle und laden die Kinder ein mit uns zu spielen. Im Sommer spielen wir draussen Fussball oder was immer sie sich wünschen. Mit den Kindern aus Afghanistan spielen wir zum Beispiel Kricket, da sie dies von Zuhause kennen. Im Winter bleiben wir in der Halle und spielen zusammen Karten.

Da mir diese Arbeit sehr viel Spass bereitet habe ich im Mai zusammen mit Freunden den Verein «Kollektiv – Freizeit mit Freunden» gegründet. Ich bin ein Teil des Vorstands und für die Rechnungsrevision zuständig. Unser Ziel ist es Menschen zusammen zu bringen damit sie sich gegenseitig unterstützen können.“

Kodess Boujnah / SpeakOut! (1/4)

„Ich erinnere mich sehr gut an meinen allerersten Kick-off Event vom Projekt SpeakOut! welcher sogleich mein erster Arbeitstag mit direktem Kontakt zu unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden (UMA) war. Dieser Event ist mir besonders stark in Erinnerung geblieben, weil kurzfristig eine zugleich traurige als auch herzerwärmende Verbindung entstanden ist, die man nur schwer verstehen kann. Bei jedem Event sind wir auf die Hilfe von Freiwilligen angewiesen, welche uns in unterschiedlichen Tätigkeiten unterstützen. Für dieses Wochenende hat sich meine Mutter als bereit erklärt, die Teilnehmer zu bekochen. Doch überraschenderweise musste sie dies nicht alleine tun, sondern wurde von einem afghanischen UMA unterstützt. Eigentlich ist so etwas nicht sehr ungewöhnlich, es gibt immer wieder Teilnehmer, die nicht unbedingt kontinuierlich an den Aktivitäten mitmachen, sondern lieber andere Aufgaben erledigen möchten. Wenn sie lieber Mithelfen möchten, dann ist das kein Problem für uns. Wir lassen ihnen diese Freiheit und ziehen sie stattdessen in diverse andere Aufgaben mit ein. Ungewöhnlich hingegen waren die Beweggründe des jungen Afghans, wie mir meine Mutter nach einem tiefgründigen Gespräch mit ihm erzählt hat.“

Kodess Boujnah / SpeakOut! (2/4)

„Der junge Afghane hat seine Mutter vor seinen Augen sterben sehen und später auch auf eine tragische Art und Weise seinen Vater verloren. Während dem ganzen Event hatte man das Gefühl, dass der UMA in meiner Mutter die Fürsorglichkeit und Empathie wiederfand, die er so sehr an seiner verstorbenen Mutter vermisse. Indem er mit meiner Mutter gekocht hat, hat er durch sie seine eigene Mutter gesehen und erneut das Gefühl bekommen, eine Mutter zu haben.

Man muss wissen: Meine Mutter ist halt einfach eine Mutter. Nicht nur an diesem Event, auch bei uns zuhause, wenn sie mit mir und meinen drei Geschwistern Sachen unternimmt oder wenn wir gemeinsam kochen. Und das sage ich nicht weil sie meine Mutter ist, sondern weil sie einfach etwas Fürsorgliches an sich hat! Diese Eigenschaft hat der junge Afghane gespürt und hat deshalb an diesem Wochenende so viel Zeit wie möglich mit meiner Mutter verbracht. Es ist schön zu sehen, dass sich ein jugendlicher mit solch einer traurigen Geschichte öffnet und in meiner Mutter einen Ansprechpartner gefunden hat, an den er sich anvertrauen kann. Meine Mutter sagte mir nach dem Event: „Das war schon sehr berührend.“

Kodess Boujnah / SpeakOut! (3/4)

„Ich weiss nicht ob so etwas überhaupt hätte passieren dürfen, aber für meine Mutter, wie für mich auch, ist es nicht immer einfach den Abstand zu behalten. Ich, die selber einen Migrationshintergrund habe und ziemlich temperamentvoll bin weiss – wir haben die Nähe, wir brauchen die Familie. Sie bedeutet sehr viel für uns. Deshalb war es schwierig für mich und meine Mutter, die Distanz zu den Menschen zu bewahren, die genau dieses Gefühl von Familie und Nähe vermissen.
Man darf nicht vergessen, dass es sich bei UMAs um minderjährige Menschen handelt, die ohne ihre Eltern in die Schweiz gekommen sind und meist früh mit schwierigen Situationen konfrontiert worden sind. Nach den vielen Hürden die sie bereits überwinden mussten ist es schön zu sehen, dass Projekte wie SpeakOut! – welches leider vor kurzen zu Ende gegangen ist – ihnen für einen kurzen Augenblick wieder das Gefühl von Nähe und Geborgenheit geben können.

Ich denke es war ein sehr emotionaler Moment für alle beteiligten. Zum einen sehr traurig wegen der Lebensgeschichte des jungen Afghans, zum anderen sehr schön, weil er für einen kurzen Augenblick die Geborgenheit wiedergefunden hat, die er so stark vermisst.“

Kodess Boujnah / SpeakOut! (4/4)

«Meine Forderung:

Unbegleitete minderjährige Asylsuchende hatten es im Leben schwierig! Unsere Aufgabe ist es, ihnen hier in der Schweiz Unterstützung, Schutz und Informationen anzubieten damit sie selbständig und ihre Zukunft eigenständig gestalten können.

Ob Jugendliche mit Migrationshintergrund die hier aufgewachsen sind, geflüchtete Jugendliche oder Menschen ohne Migrationshintergrund – meiner Meinung nach sind alle Jugendliche eine Bereicherung für die Gesellschaft und sollten daher auch ALLE gleich behandelt und gefördert werden. Egal woher sie kommen, was für eine Sprache sie sprechen und an was sie glauben.

Mir ist es ein grosses Anliegen, weiterhin der Stimme von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden Gehör zu verschaffen. Ob durch ein Projekt oder anders. Ihre Forderungen dürfen nicht vergessen werden und es ist unsere Aufgabe, diese weiterzuleiten und ernst zu nehmen.»