Blogbeitrag von Stefan Bruderer, Jugendkommission des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes
Liebe Schweiz, ich wünsche mir mehr:
„Hallo, wie geht‘s?“ statt „Hey, woher kommst du?“
Samstagabend, irgendwo an einem See treffen sich Menschen zum Schwimmen, Essen, Spielen, Diskutieren oder einfach nur um die schöne Stimmung des Sonnenuntergangs zu geniessen. Eine Gruppe sitzt direkt am Ufer und bereitet auf ihren mitgebrachten Einweggrills das Abendessen zu.
Alle sind sie da. Der Inder, der seit acht Jahren in Lausanne studiert und arbeitet. Der Belgier, der die meiste Zeit seines Lebens in der Schweiz und in Frankreich gelebt hat. Das Paar aus Italien und Portugal, das sich hier kennen und lieben gelernt hat. Und auch die Flugbegleiterin aus Deutschland, die vor drei Monaten für ihren Traumberuf alles gepackt, ihrer Familie und ihren Freunden auf Wiedersehen gesagt hat und ausgewandert ist.
Mittendrin ich und ein zweiter Schweizer. Wir „Einheimischen“ sind hier also klar in der Unterzahl. Doch soll ich mich nun fremd fühlen? Ist mein Land in Gefahr, sich zu verändern? Und wenn ja, in welche Richtung? Bin ich bald schon der letzte richtige Schweizer am See, der seinen mit dem Armeetaschenmesser eingeschnittenen Cervelat bräteln will?
Nein. Denn ich fühle mich hier sehr geborgen in dieser Gruppe mit Menschen aus der ganzen Welt. Eine Gruppe, die mir das Gefühl gibt, auf Reisen zu sein, ohne meine Heimat verlassen zu müssen. Menschen, die gekommen sind, um mit uns zu lachen, zu weinen und uns zu unterstützen, wenn wir Hilfe brauchen.
Und doch erwische ich mich, wie ich den Inder frage, warum er in die Schweiz gekommen sei. Dies kurz nachdem ich auf Englisch den zweiten Schweizer begrüsst hatte, da ich in dieser bunten Gruppe nur Ausländer erwartete.
Menschen werden durch ihren Migrationshintergrund geprägt – ganz egal, ob sie es wollen oder nicht. Sie werden in Gruppen eingeteilt, diskriminiert oder auch bevorzugt; also insgesamt unterschiedlich behandelt.
Jeder von uns mag lustige Vorurteile über andere Länder und Kulturen haben. Und selbstverständlich möchten wir diese wenn immer möglich mit anderen teilen. Aber sollten wir Menschen, die seit so langer Zeit bei uns leben, nicht auch wie Einheimische betrachten? Definieren wir Menschen über ihr Wesen, ihr Handeln, ihre ganz persönliche Geschichte anstatt über ihre Herkunft!
Und nun, was wünscht du dir für die Schweiz?