Von Anina Peter, infoklick.ch

 

Warum ein Auslandaufenthalt in den Stundenplan gehört

Reisen bildet – es öffnet einem die Augen für neue Kulturen und Gewohnheiten, das Herz für andere Menschen und das Ohr für ihre Geschichten, Sorgen und Freuden. Wer andere Länder kennengelernt hat, nimmt seine Heimat ganz anders wahr. Eine junge Studentin nimmt euch mit auf den ersten Schritten in ein neues Land.

 

Eine Reise, ein Auslandaufenthalt oder ein Auslandsemester ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Lebensweg und in der Jobbiographie eines Menschen. Dies ist keine Modeerscheinung oder neuzeitliche Erkenntnis. So sagte zum Beispiel bereits der englische Philosoph Sir Francis Bacon: „Reisen ist in der Jugend ein Teil der Erziehung, im Alter ein Teil der Erfahrung.“ Ein Land, das Wert auf seinen Nachwuchs legt, hat also eine klare Aufgabe: Es sollte jedem Menschen möglich gemacht werden, „neue Welten“ zu entdecken, erforschen und kennenzulernen. Je nach Möglichkeit auf eigene Faust, mit Unterstützung der Familie, im Rahmen von Projekten oder mit Programmen wie Erasmus.

Jeder und jede, der schon einmal eine grössere Reise angetreten oder einen Auslandaufenthalt gemacht hat, kennt es. Das Gefühl beim Start. Das Kribbeln, Kitzeln, die kaum fassbare Vorfreude auf Neues, Unberechenbares, Unbekanntes. Mit verschiedenen Wünschen, Träumen und Zielen begibt man sich auf einen Weg, auf dem man nie sicher ist, was einem wirklich erwartet. Die ersten Schritte auf diesem Weg nimmt in diesen Wochen Mandy Abou Shoak. Die 26-jährige Zürcherin ist vor kurzem nach Berlin gezogen. Mandy studiert Soziale Arbeit und tauscht für ein Semester die Vorlesungsräume der Hochschule Luzern gegen die der Alice Salomon Schule in Berlin. Wie es ihr bei diesem „Luftwechsel“ ergeht und was ihre Ziele und Träume sind, erzählt sie euch gleich selbst.

Mandy, erzähl mal – wo bist du gerade und was machst du da?
Ich sitze gerade in meiner gemütlichen kleinen Wohnung im Herzen von Friedrichshain-Berlin.
Heute war ich zum ersten Mal in Hellersdorf an der Alice Salomon Hochschule. Dort werde ich ab Oktober für ein Semester Soziale Arbeit studieren. Da das Semester erst im Oktober startet ist noch nicht sehr viel los an der Schule.

Wie lange bleibst du in Berlin?
Voraussichtlich bis Ende Januar. Im Februar geht das Studium in der Schweiz an der Hochschule Luzern wieder weiter.

Wie gefällt es dir bis jetzt in Berlin?
Ich bin total inspiriert! Es ist lange her seit ich in der Schweiz in einer Tram oder in einem Zug live Musik gehört habe. Hier ist das Alltag. Das kulturelle Angebot ist immens. Ich war an der langen Nacht der Museen. Am Tag davor bin ich entlang der Spree flaniert und habe die East Side Music Days entdeckt. Unzählige Musiker und Musikerinnen haben am Ufer musiziert und getanzt. Ja, es ist echt inspirierend!

Wieso hast du dich für den Schulbesuch im Ausland entschieden?
Ganz ehrlich? Das letzte Jahr war sehr intensiv: Ich habe in der Kinder- und Jugendförderung gearbeitet, in Luzern studiert, war (beziehungsweise bin) in der Studierendenorganisation meiner Schule aktiv und im Rahmen eines Politikmentoringprogramms der Frauenzentrale habe ich die Zürcher Kantonsrätin Judith Stofer begleitet. Und neben all dem habe ich auch noch meine eigene Jugendradiosendung. Ich hatte einfach das Bedürfnis, raus zu kommen aus diesem ganzen Trubel – mich selbst in einem neuen Umfeld kennen zu lernen. Ich wollte neue Eindrücke, neue Inputs gewinnen, um schliesslich auch neue Gedanken fassen zu können.

Nun bist du angekommen in deinem neuen Zuhause: Was erhoffst du dir von der Zeit hier?
Ich wünsche mir Überraschungsmomente, in welchen ich die Welt und mich selbst von einer neuen und positiven Seite erfahren darf. Ich wünsche mir interessante Begegnungen. Ich wünsche mir lange Nächte voller aufregender und spannender Diskussionen und Visionen. Und: Ich wünsche mir die Fähigkeit und Bereitschaft, dafür offen zu sein.

Ist es im sozialen Berufsfeld besonders wichtig, einmal in einem anderen Land gelebt zu haben?
Ich glaube das Menschen, die für einen gewissen Zeitraum in einem anderen Land gelebt haben, einen anderen Zugang zu Themen wie beispielsweise Integration haben. Das aufgrund der eigenen Betroffenheit, der eigenen Erfahrungswerte. Und auch wenn ich nur acht Autostunden von Zürich entfernt bin – das Leben hier in Berlin unterscheidet sich wesentlich vom Leben in Zürich. Es ist eine völlig andere Kultur. Das erlebe ich aktuell sehr beeindruckend im Umgang mit Flüchtlingen. Der ist hier in Berlin sehr emotional und wohlwollend. Ich habe viele Berliner und Berlinerinnen kennen gelernt, die in ihrer Freizeit in der Flüchtlingshilfe arbeiten. Die mediale Tonalität hinsichtlich der ganzen Flüchtlingsthematik ist auch viel positiver gesinnt als in der Schweiz. Vielleicht sollte man in der Schweiz mehr darüber berichten, was die Menschen für Flüchtlinge tun. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sich in der Schweiz derzeit eine gewisse Apathie entwickelt – das macht mir echt Sorgen.

Wie geht es für dich beruflich weiter – was sind deine Ziele?
Vorerst möchte ich mich auf mein Studium konzentrieren. Ich habe die finanzielle Möglichkeit – ja, den Luxus – dies tun zu können. Ich hoffe, dass ich mir ganz viel Wissen aneignen kann. Und dass sich mir durch meinen Aufenthalt in Berlin auch neue Möglichkeiten erschliessen. Ich kann mich hier inhaltlich vertiefter mit gewissen Themen auseinandersetzen. Zudem hoffe ich viele neue Menschen mit neuen Geschichten kennenzulernen – so dass ich auf neue Denk- und Handlungsmuster treffe und auch mich selber neu validieren kann. Klar ist für mich: Ich will meine Zeit und Energie in eine Arbeit investieren, bei der ich das Gefühl habe, dass sie sich lohnt. Bis jetzt habe ich in die Jugend investiert. Denn die Jugend ist die Zukunft. Meiner Meinung nach gibt es nichts Nachhaltigeres als in die Jugend zu investieren. Und damit meine ich sowohl Zeit als auch Geld.

Zu guter Letzt: Warum sollte jeder junge Mensch einen Auslandaufenthalt machen können?
Es gibt einem die Möglichkeit, sich selbst von einer neuen Seite kennenzulernen. Ein Auslandsaufenthalt öffnet den eigenen Horizont, man macht viele neue Erfahrungen, auf die man im Berufsalltag zurückgreifen kann.