Von Caroline Iberg, young european swiss (yes)
Es ist 7 Uhr 30 an diesem Donnerstagmorgen Mitte Juni im Zug Lausanne – Bern. Am Fenster zieht die morgendliche – aber nicht weniger zauberhafte – Kulisse des Lavaux vorbei. In einem Viererabteil schwärmen drei Studenten von der Landschaft, während sie gleichzeitig über das Examen diskutieren, das sie später bei ihrer Ankunft an der Universität Freiburg erwartet. Die Szene würde banal wirken, wenn da nicht eine kleine Besonderheit wäre: Zwar sprechen die Studenten Französisch, doch für keinen von ihnen scheint dies die Muttersprache zu sein. Zudem duftet der Akzent eines der Studenten nach der Sonne Spaniens, während bei den beiden anderen der slawische Ursprung mitklingt. Eine Schlussfolgerung drängt sich deshalb sehr rasch auf: Es handelt sich um Studenten des Erasmus-Programmes in der Schweiz.
Unser Land ist eine für europäische StudentInnen sehr gefragte Destination: Unsere Universitäten zählen zu den besten Europas und das Leben hier ist angenehm. Als ich zur Organisation Erasmus Student Networt (ESN – die sich um die Aufnahme ausländischer Studenten an den Universitäten kümmert) gehörte, fragte ich eine Studentin, weshalb sie in die Schweiz gekommen sei: « Es ist ein nicht sehr bekanntes Land und sein Ruf ist in Europa nicht immer gut. Ich wollte sehen, was es damit auf sich hat. Zudem hatte ich viel Gutes von den Universitäten gehört. ». Später wird sie mir gestehen, dass sie ihren Aufenthalt geliebt hat, auch wenn das Leben hier manchmal « etwas zu ruhig war ».
Vor und nach dem 9. Februar
Wenn man von Erasmus spricht, spricht man auch von einer Zeit vor und nach dem 9. Februar 2014. Während die europäischen StudentInnen sich durch die Türen der Schweizer Universitäten drängten, als die Schweiz noch Teil des Programmes war, betrug der Rückgang an KandidatInnen 2014 zwischen 10 % und 40 %, seit die Schweiz als Drittland gilt. [1] Im Gegensatz dazu schreiben sich noch immer gleich viele Schweizer an Universitäten der Europäischen Union ein. Noch nie gingen so viele Studentinnen und Studenten der UNIL ins Ausland, während die Zahl ausländischer Schülerinnen und Schüler, die sich in Lausanne aufhalten, 2014 um rund 10% gesunken ist.[2]
Diese Angaben zeigen, dass europäische Studentinnen und Studenten, obwohl neugierig zu erfahren, was sich hinter dem glatten und manchmal nicht sehr schmeichelhaften Ruf der Schweiz verbirgt, zunehmend zögern, hierher zu kommen, seit rund um die Austauschprogramme Unklarheit herrscht. «Egal, ob man in die Schweiz oder in die USA geht, man findet dieselben Aufnahmeverfahren vor, seit euer Land ein Drittland ist. Für viele ist die Wahl rasch getroffen », bemerkt Diego, spanischer Student in Lausanne. Was die jungen Schweizer Studenten anbelangt, sind sie mehr denn je entschlossen, die Europäische Union, die dortigen Universitäten und Kulturen zu entdecken. Um sich zu überzeugen, muss man nur die begeisterten Berichte der Studentinnen und Studenten hören, die vom Erasmus-Programm zurückgekehrt sind: « Ich sollte sechs Monate ins Ausland gehen, bin aber am Ende ein Jahr geblieben. Die Rückkehr war hart und seither rate ich allen, einmal im Leben eine solche Erfahrung zu machen».
Hier zeigt sich eine wichtige Möglichkeit, gegen die Isolierung zu kämpfen, von der die Schweiz bedroht ist: durch den Austausch junger Generationen mit unseren europäischen Nachbarn, durch gegenseitiges Entdecken unserer Kulturen und durch das Teilen unserer Werte. Eines ist sicher: die jungen Schweizerinnen und Schweizer sind nicht bereit, auf Erasmus – und damit auf die Öffnung – zu verzichten. Sie werden « ihr » Programm mit Händen und Füssen verteidigen!
[1] http://www.rts.ch/info/monde/5993909-nombre-de-participants-record-pour-le-programme-erasmus-en-europe.html (konsultiert am 7.8 2015).
[2] http://www.lematin.ch/suisse/Erasmus-le-nombre-d-etudiants-europeens-a-chute/story/16179054 (konsultiert am 7.8.2015).